Islamophobie als Antwort auf Christenverfolgung führt in die Irre

Auf Christenverfolgung mit Islamophobie zu antworten, oder auf islamischen Antisemitismus mit Antiislamismus zu reagieren, führt in die Irre.

"Es vertieft die Gräben, verschärft die Polarisierung, schürt die Angst. Das bildet den Nährboden für die Erosion von Demokratien und dafür, dass sich populistische Regime ausbreiten", sagte Wolfgang Huber der Welt am Sonntag vom 21. April 2019.

Er sehe "faszinierende Ansätze" für einen Euro-Islam* in verschiedenen theologischen und intellektuellen Bewegungen. "Wir erleben im Augenblick eine Pluralisierung des Islam in Europa; es ist wichtig, diese Entwicklung wahrzunehmen und dazu beizutragen, dass sie sich in unseren kulturellen Institutionen abbildet." Beispiele dafür seien Einrichtungen für islamische Theologie an den Universitäten oder Debatten in den Medien, an denen muslimische Intellektuelle mitwirken.

"Wir sind auf diesem Weg weiter, als vielen bewusst ist, die vor allem auf eine andere Seite des Islam sehen, die uns - und vielen Muslimen - aus guten Gründen große Sorgen macht", betonte der Theologe.

Die Menschen lebten nirgendwo mehr in geschlossenen kulturellen Einheiten. "Viele Muslime sind beeinflusst durch weltweite Kommunikation, durch das Internet, das einerseits den geistig-kulturellen Austausch fördert, aber auch Radikalisierungsprozesse verstärkt. Ich bin besorgt wegen dieser Prozesse, nicht nur in Fällen, in denen sich die Folgen in unserem eigenen Land zeigen."

Religiöser Extremismus und mit ihm verbundene terroristische Gewalt seien überall furchtbar. "Dagegen muss eindeutig Position bezogen werden." Doch zugleich sei es richtig, "auf die Vielfalt der Strömungen zu achten und diejenigen zu unterstützen, die durch Toleranz geprägt sind, die Religionsfreiheit achten und die Menschenrechte als gemeinsame Basis anerkennen".

*Euro-Islam ist ein Begriff, Anfang der 1990er-Jahre in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt wurde und eine bestimmte säkularisierte Form des Islam beschreibt. Sie soll sich dadurch herausbilden, dass in Europa lebende Muslime Pflichten und Prinzipien des Islam mit Werten der modernen europäischen Kultur kombinieren.

Aus: Welt am Sonntag (21. April 2019), Das Prinzip Hoffnung - Seiten 13 bis 16. Die Redakteure Johannes Boie, Jacques Schuster und Jennifer Wilton sprachen mit dem Berliner Rabbiner Andreas Nachama und Wolfgang Huber.

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