Glaube und Wissenschaft schließen einander nicht aus

Das Verhältnis von Glaube und Wissenschaft darf nicht so verstanden werden, als schlösse sich das innerhalb ein und derselben Person aus.

"Das gilt beispielsweise für einen Theologen, der sich aus voller Überzeugung als Wissenschaftler versteht und seine wissenschaftliche Reflexion über die historischen und gegenwärtigen Gestalten von Religion, Glaube und Glaubensgemeinschaft (im Fall des Christentums: Kirche) nicht als Gegensatz zu seinem Glauben ansieht", sagte Wolfgang Huber am 04. September 2019 in der Veranstaltung Glaube und Wissenschaft im Dialog in Potsdam.

Umgekehrt wäre es nach Hubers Überzeugung falsch anzunehmen, "dass Historiker, Kultur-, Sozial- oder Naturwissenschaftler per definitionem Leute sein müssten, die mit dem Glauben 'nichts am Hut haben'." In der einen wie in der anderen Richtung gebe es vielfältige Formen der Verbindung von Glauben und wissenschaftlicher Reflexionsfähigkeit. "Und aufs Ganze der Geschichte gesehen ist das dem Glauben außerordentlich gut bekommen", fügte der Theologe hinzu.

Er sei fest davon überzeugt, dass auch ein Mensch, der von sich sagt: "Ich glaube nicht", Glaubensannahmen habe: "Wenn er zum Beispiel von 'Himmel' spricht, dann macht auch er einen Unterschied zwischen dem transzendenten Himmel ('heaven') und dem Firmament ('sky') - selbst wenn er das in der Negation tut."

Ein weltanschaulicher Materialist, der sage, man könne sich nur auf das verlassen, was naturalistisch beweisbar ist, mache eine Voraussetzung, die wissenschaftlich nicht als unwiderlegbar demonstriert ist. "Das heißt, er nimmt eine starke Überzeugung zum Ausgangspunkt seiner Forschung."

Doch auch ein Wissenschaftler, der sich als Atheist definiert,  dürfe seine Voraussetzungen nicht dogmatisch zum Inhalt seiner Wissenschaft machen. Wenn er das täte, käme er in den Bereich des "Scientismus", was bedeute, dass die Wissenschaft selbst zum Glauben wird.

Glaube und Wissenschaft im Dialog, 04. September 2019 im Museum Barberini in Potsdam. Inforadio-Moderator Harald Asel im Gespräch mit Prof. Dr.-Ing. Dr. Sabine Kunst, Präsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin, und Wolfgang Huber.

Mitschnitt gesendet im RBB Inforadio am 08. September 2019.