"Schweren Herzens": Zustimmung zum Syrien-Einsatz

Wolfgang Huber befürwortet den Syrien-Einsatz der Bundeswehr gegen die Terrormiliz IS "schweren Herzens".

Im Interview mit dem Radiosender SWR1 plädiert der Theologe für einen "Verantwortungspazifismus, der fragt: Was können wir konkret tun, um dieser Gewalt ein Ende zu machen?"

Mitschrift aus der Sendung “SWR1-Sonntagmorgen aus Religion, Kirche und Gesellschaft" am 06. Dezember 2015:

Frage: Wie stehen Sie zu einem Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Syrien?

Wolfgang Huber: Zunächst muss man ganz deutlich unterstreichen, dass es auch in einer solchen Situation einen Primat des politischen Handelns gibt. Deswegen ist mir sehr wichtig, dass die politischen Bemühungen weitergehen und man nicht der Meinung ist, dass ein solcher Beschluss über eine Beteiligung an einem Militäreinsatz diese politischen Bemühungen weniger wichtig macht. Und da wünscht man sich natürlich, dass die mehr Klarheit haben. Aber auch die evangelische Kirche sagt, dass man in einem Fall, in dem Gewalt ausgeübt wird, den Einsatz von Gegengewalt als äußerstes Mittel nicht ausschließen kann. Das ist dann eine Frage der politischen, auch der rechtlichen Abwägung. Ich bin persönlich, wenn auch ganz schweren Herzens, der Überzeugung, dass man eine Beteiligung Deutschlands in dem engen Rahmen, der jetzt dafür gesetzt ist, nicht ausschließen kann, hinnehmen muss — aber wirklich schweren Herzens.

Schweren Herzens, weil es keine Alternative gibt. Sie sagten eben, die flankierenden Maßnahmen — diplomatische und politische Bemühungen — müssen weitergehen, aber jetzt muss man doch sagen: Deutschland steht im Krieg.

Deutschland beteiligt sich an einer militärischen Auseinandersetzung. Ob das ein Krieg ist, ist ja in sich selbst auch umstritten, weil ja der IS völkerrechtlich betrachtet nicht als Staat angesehen werden kann — deswegen auch nicht als Kriegspartei. Das macht es ja alles so kompliziert.

Aber trotzdem ist es im Prinzip nur eine Frage des richtigen Etiketts, denn in der politischen Auseinandersetzung de facto vor Ort, militärisch, ist dieser Einsatz doch ein Kriegseinsatz.

Die Menschen erleben das natürlich als einen Kriegseinsatz. Und zu den vielen Fragen, die man sich stellen muss, gehört natürlich auch die Frage, dass nicht nur Akteure des IS davon betroffen sind, sondern dass auch Zivilbevölkerung davon betroffen ist und dass die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten nur ganz schwer durchgehalten werden kann.

Dieses äußerste Mittel ist aber auch umstritten, denn wir wissen aus Erfahrung, dass einem Terror der Taliban beispielsweise nicht mit Gewalt beizukommen war. Im Gegenteil, die Taliban sind heute noch stärker geworden. Also ist der Ruf nach Waffen nicht letztlich auch ein Ausdruck von Ratlosigkeit?

In dem Augenblick, in dem man irgendein anderes Mittel sähe, um dem IS das Handwerk zu legen, müsste man natürlich nach diesem anderen Mittel greifen. Aber da es kein anderes Mittel gibt, haben wir schon vor einem Jahr gesagt, dass gegen den IS militärische Mittel eingeschlossen werden müssen in die Aktivitäten, die man braucht, um ihm das Handwerk zu legen.

Wenn jetzt die Kirchen in Deutschland diesem letzten Mittel, dem Einsatz von militärischer Gewalt, zustimmen, wenn auch mit ganz argem Bauchgrimmen, dann müssen sie natürlich auch damit rechnen, dass sich viele Christen vor den Kopf gestoßen fühlen, die ja sagen, Christentum hat mit militärischer Gewalt nichts zu tun.

Das ist eine große Hoffnung, dass Christentum mit militärischer Gewalt nichts zu tun hat. Nur, das darf man nicht ummünzen in eine Alternative zwischen Tatenlosigkeit und militärischer Gewalt. Die Berufung auf den Vorrang der Gewaltfreiheit kann nicht dazu führen, dass wir den Terror des IS und die Bürgerkriegssituation im eigenen Land mit der Vertreibung von über elf Millionen Syrern und mit der internationalen Ausstrahlung, in die wir auch selber unmittelbar einbezogen sind, dass man das tatenlos geschehen lässt. Das heißt, der Pazifismus, für den ich mich auch sehr gerne ausspreche und für den ich mich einsetze, muss doch ein Verantwortungspazifismus sein, der fragt: Was können wir konkret tun, um dieser Gewalt ein Ende zu machen? Es ist nicht ein Pazifismus, der sagt: Weil wir gegen Gewalt sind, tun wir gar nichts und lassen das, was der IS sich vorgenommen hat, ungehindert geschehen.