Rüstungsexporte: Der Bann ist noch nicht gebrochen

Wolfgang Huber spricht sich für mehr Bemühungen zur weltweiten Kontrolle der Waffenexporte aus.

Der Bann, dass sich Staaten vorrangig durch Rüstung auf Konflikte einstellen, sei noch nicht gebrochen, sagte der Theologe im Interview mit dem Radiosender SWRinfo am 15. April 2014.

Der Wortlaut des Interviews:

Herr Huber, Rüstungsexporte auf der einen Seite und gleichzeitig den Frieden erhalten wollen. Ein Politiker kann das – glaube ich – relativ einfach erklären. Wie schwer fällt das einem Theologen?

Wolfgang Huber: Ich glaube, auch Politiker können das politisch nur schwer erklären, dass wir auf der einen Seite in Deutschland die Position vertreten, dass es einen Vorrang für gewaltlose Mittel der Konfliktbeilegung gibt, wie wir jetzt im Fall der Ukraine auch wieder diskutieren, dass wir uns als Deutsche zurückhalten wollen mit militärischen Interventionen in internationalen Konflikten, dass wir aber gleichzeitig das drittgrößte Waffenexportland der Welt sind. Man kann ja nicht rigoros sein, aber dass wir ein so hohes Maß an Waffenexporten haben, dass wir die Waffenexporte geheim halten und man es immer nur im Nachhinein erfährt, das sind zwei Umstände, die ich nicht in Einklang bringen kann mit dem, was wir sonst über den Einsatz von Waffen in internationalen Konflikten sagen.

Ein Argument wird immer sehr gerne benutzt: Wenn wir Deutschen solche Rüstungsexporte nicht machen, dann machen es eben andere. Was sagen Sie denen, die so argumentieren?

Dieses Argument hat ethisch nie eine Durchschlagskraft, weil man die Handlung, die man verübt, auch aus sich selbst rechtfertigen muss, und nicht mit dem Argument: Wenn ich es nicht mache, dann tun es andere. Natürlich hat man dann auch die Pflicht, in die internationale Gemeinschaft hinein zu argumentieren und beispielsweise das Seine dazu beizutragen, dass das Waffenhandelsabkommen der Vereinten Nationen, das im vergangenen Jahr ja verabschiedet worden ist, nun auch möglichst schnell ratifiziert wird. Es ist ja nicht so, dass wir einfach auf „Wilden Westen“ in Fragen des Waffenhandels angewiesen wären, sondern es gibt Bemühungen, den Waffenhandel einzuschränken, und daran uns zu beteiligen, ist viel wichtiger, als auf andere potenzielle Exportnationen hinzuweisen. Und im Übrigen: Derjenige, der auf der Rangliste auf Platz 3 steht, direkt hinter den USA und Russland, der hat keinen Grund, auf andere Exporteure zu verweisen.

Jetzt hat der Bundesminister Gabriel ein Zeichen gesetzt, ein Signal zumindest, mit dem Stopp des saudischen Rüstungsdeals. Ist das für Sie der richtige Weg, reicht das möglicherweise, oder ist das ein Anfang – lassen Sie das gelten?

Also das ist ja eine Verpflichtung dieses geheimen Gremiums, des Sicherheitsrats des Kabinetts, das sich damit beschäftigen muss und der Verpflichtung Genüge tun muss, dass deutsche Waffen nicht in Krisen- und Spannungsregionen exportiert werden dürfen. Insofern ist das eine Umsetzung dessen, was bisher die Regel ist. Nach meiner Meinung geht das nicht weit genug. Es gibt keinen Grund dazu, die Waffenexporte aus der öffentlichen Diskussion herauszunehmen und sie in einem Geheimgremium zu verhandeln. Es wäre viel besser, wir würden die öffentliche Diskussion darüber zulassen und dadurch den Eindruck vermeiden, dass bei dieser wichtigen Frage Wirtschaftsinteressen den Vorrang haben vor Fragen der politischen Verantwortbarkeit.

Herr Huber, Sie engagieren sich nicht erst seit gestern für weniger Waffenexporte. Heute hat das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI neue Zahlen vorgelegt mit der Überschrift: Militärausgaben sinken weltweit. Auf der anderen Seite ist Deutschland ein wenig vorgerückt, das geht immer hin und her. Schauen Sie sich solche Zahlen überhaupt noch an?

Ja, ich schaue sie an und in diesem Fall wundere ich mich, dass SIPRI selber diese Überschrift verwendet hat. Denn wenn man die Zahlen analysiert, dann sieht man, dass diese Verminderung um eins Komma soundsoviel Prozent dadurch zustande kommt, dass die USA und die westeuropäischen Staaten etwas weniger für Rüstung ausgegeben haben, zum Beispiel wegen der Verabschiedung aus dem Afghanistan-Konflikt. Das ändert aber überhaupt nichts daran, dass unter den sechs Nationen, die am meisten für Rüstung ausgeben, bis zum heutigen Tage die USA sowie die westeuropäischen Länder Frankreich, Großbritannien und Deutschland sind. Das heißt, noch immer ist das Ausmaß von Rüstungs- und Verteidigungsausgaben, das wir in diesem Nato-Bereich haben, außerordentlich hoch, und in allen anderen Weltregionen sind die Rüstungsausgaben in dieser Zeit gestiegen. Das Drama, dass die Staaten sich nach wie vor vorrangig dadurch auf Konflikte einstellen, dass sie rüsten, ist überhaupt noch nicht verändert, und dieser Bann ist noch nicht gebrochen.