Turm der Potsdamer Garnisonkirche ist Mahnmal und Friedensort

Der Turm der Garnisonkirche Potsdam wurde am 22. August 2024 im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier feierlich eröffnet.

Vor diesem Ereignis interviewte der Berliner Tagesspiegel Wolfgang Huber, der sich viele Jahre für den Wiederaufbau engagiert hat und Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung Garnisonkirche Potsdam war.

Herr Professor Huber, am 22. August eröffnet der Garnisonkirchturm in Potsdam offiziell. Was bedeutet das für Sie?

Ich bin wirklich berührt davon. Ich habe mich ja sehr lange Zeit mit diesem Projekt auseinandergesetzt, mich dann mit ihm identifiziert und dafür eingesetzt. Ich glaube, dass das Projekt eine gute Zielsetzung hat. Und ich bin sehr froh, dass wir so weit gekommen sind. Ich freue mich auf diesen Tag und hoffe, dass er auch in einer guten Atmosphäre stattfinden wird.

Warum braucht Potsdam den Turm der Garnisonkirche?

Die Stadt braucht den Turm der Garnisonkirche nicht in einem instrumentellen Sinn. Aber der Wiederaufbau war eine großartige Idee. Der Turm ist sowohl ein architektonisches Mahnmal für die Stadt Potsdam als auch ein Gebäude, das mit einem neuen Inhalt versehen wurde, das auf Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie gerichtet ist. Und es bringt die Bedeutung des christlichen Glaubens für die Verantwortung in unserer Gegenwart zum Ausdruck. Dafür hat sich die lange Arbeit gelohnt. Damit, dass es Menschen gibt, die das immer noch nicht verstehen wollen und andere Intentionen dabei ins Spiel bringen, muss man leben. Aber heute kann es kein Missverständnis mehr darüber geben, was der Sinn dieses Gebäudes ist.

Welche Bedeutung kann christliche Friedensarbeit denn heute haben?

Gerade in unserer heutigen, durch Krieg und Friedensgefährdung geprägten Zeit, ist es doch offensichtlich, wie wichtig der Einsatz für den Frieden in der Welt ist. Und der Garnisonkirchturm kann ein wichtiger Ort sein, an dem Menschen sich für diesen Einsatz zusammentun. Das fängt mit Bildungsprozessen an, es fängt damit an, dass Geschichtsaufklärung stattfindet. Und es gehört dazu, dass man sich nicht einbildet, alles selber machen zu können, sondern auf Gottes Gnade angewiesen ist. Das alles verbindet sich an diesem Ort in einer besonders eindrucksvollen Weise.

Im Land Brandenburg werben gerade mehrere Parteien damit, Friedenspartei zu sein: Von der AfD über das BSW bis hin zur Linken. Worin unterscheiden sich die friedensethischen Positionen der Kirche von jenen der Parteien?

Die Friedensarbeit der Kirchen ist zum einen von der Überzeugung geprägt, dass Gewaltfreiheit den Vorrang vor Mitteln der Gewalt hat. Sie ist zum anderen dadurch geprägt, dass sie nicht Feindbilder aufbaut, sondern abbaut, dass sie das Verständnis auch für den anderen ins Spiel bringt. Und sie ist natürlich auch davon geprägt, dass sie auch Gefährdungen des Friedens durch Gleichgültigkeit gegenüber der Demokratie in den Blick nimmt. Das ist eine eigene und geprägte Form, die mit nichts anderem verwechselt werden kann.

Sie sprachen von Gefährdungen des Friedens durch Gleichgültigkeit gegenüber der Demokratie. Erleben Sie das im Moment im Land?

Das erlebe ich nicht nur hier in Brandenburg, sondern das erlebe ich an vielen Orten. Wir gehen gerade durch eine Zeit hindurch, in der wir den engen Zusammenhang zwischen Frieden und demokratischer Verantwortung hautnah spüren und dabei auch wahrnehmen, wie gefährdet sie sind. Und deswegen sind Orte der Wachsamkeit besonders wichtig. Ich hoffe, dass der Turm der Garnisonkirche sich als ein solcher Ort erweist, sowohl durch die präzise Art, in der Geschichte aufgearbeitet wird, als auch in der Art, in der Menschen dazu ermutigt und beseelt werden, demokratische Verantwortung zu übernehmen.

Der Turm alleine ist ein Solitär, wenn man in die Stadt guckt. Hoffen Sie noch auf einen Wiederaufbau der Kirche?

Die Entscheidung dieser Frage will ich getrost einer nächsten Generation überlassen. Der Turm hat in sich selbst eine große Bedeutung. Er funktioniert, wenn man das so sagen darf, als Turm in eigenständiger Weise. Ich habe immer gesagt, bevor man einen weiteren Schritt gehen würde, müsse man wissen, welche Zielsetzung man bei einem eventuellen weiteren Bauschritt braucht und wofür man ihn einsetzen will. Mir war und ist sehr wichtig, dass der Turm in sich selbst ein vollwertiges Gebäude ist und Aufgaben vor sich sieht, die alle Kraft erfordern.

Wie wird sich denn Wolfgang Huber als Person künftig beim Thema Garnisonkirche einbringen? Was haben Sie konkret selber vor?

Ich werde mit Freude und Interesse wahrnehmen, was an diesem Ort geschieht. Und wenn ich dann und wann einen eigenen Beitrag leisten kann, werde ich das gerne tun. Aber ich bin ja jetzt nicht mehr in der Rolle eines Aktiven, sondern habe inzwischen ein Alter erreicht, in dem ich auch gelassen und mit Freude zur Kenntnis nehmen kann, was andere an diesem Ort tun und woran ich mich, immer wieder erfreuen und dann und wann auch beteiligen kann.

Interview: Benjamin Lassiwe

tagesspiegel.de vom 19.08.2024, lesbar für Abonnenten (T+)