Erst werden Worte zu Waffen, dann greifen Mörder zur Waffe

Bei lähmendem Entsetzen über den Terroranschlag von Halle kann es nicht bleiben. Wir brauchen eine unzweideutige Grenzziehung gegen Hass, Hetze und Herabsetzung.

In einer Predigt zum Reformationstag am 31. Oktober 2019 in der Kreuzkirche Bonn sagte Wolfgang Huber: "Wir begegnen in diesen Tagen einem um sich greifenden, massiven Antisemitismus, der die Spuren und die Folgen eines christlichen Antijudaismus – Gott sei’s geklagt – noch immer deutlich an sich trägt. Dass er international ist und sich im digitalen Netz verbreitet, ist keine Entschuldigung. Unzweideutiger Widerstand und klare rechtliche Maßnahmen werden dadurch nur umso wichtiger.

„Sie verbrennen alle Häuser Gottes im Lande“

Dass Jüdinnen und Juden sich in unserem Land nicht mehr sicher fühlen und vor öffentlicher Erkennbarkeit zurückscheuen, ist ein Alarmzeichen. Nur wer für die Juden schreit, darf auch Gregorianisch singen. Dietrich Bonhoeffer hat das gesagt. Und als er in seiner Bibel das Psalmwort las: Sie verbrennen alle Häuser Gottes im Lande, notierte er am Rand das Datum: 9. November 1938, den Tag der deutschlandweiten antijüdischen Pogrome. Sie verbrennen alle Häuser Gottes im Lande.

Diese Vergangenheit vergeht nicht. Deshalb gilt auch heute: Nur wer gegen den Antisemitismus aufsteht, kann sich der festlichen Gestaltung eines Gottesdiensts zum Reformationstag freuen.

Ein Gottesdienst sollte in einem Blutbad enden

Die Verrohung unserer Debatten, so hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gesagt, bereitet dem Ausbruch physischer Gewaltsamkeit den Boden. Halle hat uns das am 9. Oktober vor Augen geführt. Der unsägliche Mord an einer Passantin und dem Gast eines Döner-Imbisses zielte zugleich auf etwas anderes: auf einen Massenmord an Jüdinnen und Juden am Jom Kippur, dem Versöhnungstag, von dem es im 3. Buch Mose heißt: An diesem Tag geschieht eure Entsühnung, dass ihr gereinigt werdet; von allen euren Sünden werdet ihr gereinigt vor dem Herrn. Ein Gottesdienst zur Versöhnung mit Gott sollte in einem Blutbad enden.

Bei lähmendem Entsetzen über dieses Vorhaben kann es nicht bleiben. Wir brauchen eine unzweideutige Grenzziehung gegen Hass, Hetze und Herabsetzung. Das ist die unerlässliche Voraussetzung für jede Debatte mit Andersdenkenden. Denn erst werden Worte zu Waffen, dann greifen Mörder zur Waffe. Hört, hört – ruft uns dieser Reformationstag zu. Dabei klingt auch der biblische Satz mit: Seid Täter des Worts, nicht Hörer allein.“

Die Predigt als PDF

Entschieden gegen Antisemitismus aufstehen – Meldung des Evangelischen Pressedienstes auf Evangelisch.de